

Der 04. November 2014 war der langersehnte Tag, an dem ich den Termin beim Diabetologen hatte. Auf mein Drängen hatte er den zuständigen Repräsentant von Abbott endlich dazu überredet, seiner Praxis einen Besuch abzustatten und fünf Patienten das neue FGM vorzustellen. Das war wahrlich nicht einfach, denn Abbott hielt sich (und hält sich noch heute) beim direkten Kontakt zu Kunden ziemlich zurück. Offenbar wurden die Jungs und Mädels dort vom Erfolg des Freestyle Libre völlig überrannt. Tatsächlich dachte man wohl, daß die Nachfrage nach dem Gerät in Deutschland nicht so hoch sein würde, da die Krankenkassen sich vor der Kostenübernahme drücken. Dumm gelaufen, jeder will das Ding haben und die Nachfrage erinnert an die Szenen vor Apple Stores, wenn ein neues iPhone in den Verkauf kommt.
Zu Recht wird der eine oder andere jetzt sagen, daß es ja schon so viele Berichte über das Libre gibt. Ich bin aber der Meinung, daß es für Interessenten sicher nützlich ist, Zugang zu möglichst vielen Erfahrungen zu haben, um sich ein möglichst genaues Bild machen zu können. Und vielleicht ist ja doch die eine oder andere nützliche, neue Information dabei.
Das Angebot ist begrenzt
Wenn man so durch die verschiedenen Foren im Netz schaut und sich bei Facebook in den einschlägigen Gruppen herumtreibt, dann sieht man schnell, wie sehr Abbott mit dieser Entwicklung ins Schwarze getroffen hat. Es handelt sich immerhin um eine durchaus bezahlbare Möglichkeit, den Glucosegehalt in der Zwischenzellflüssigkeit zu messen, ohne sich mit lästigem Fingerpieksen aufhalten zu müssen.
Für mich war sofort klar, daß ich das Libre haben möchte. Beim Skifahren, beim Motorradfahren, beim Wandern – immer hieß es bislang Stehenbleiben, Handschuhe aus, Geräte auspacken, Stechen (am besten noch in klamme Finger), Messen, alles wieder einpacken. Beim Skifahren kam häufig erschwerend hinzu, daß das Gerät unterhalb bestimmter Temperaturen den Dienst versagte und man sich erst aufwärmen musste.
Und – soviel vorab – das Libre hat mich in der Hinsicht nicht enttäuscht. Es arbeitet mit der gängigen Near Field Communication (NFC)-Technologie, das Signal geht durch dicke Leder- oder Skijacken samt Pullover locker hindurch. Sogar während des Skifahrens ist es benutzbar (natürlich unter Einhaltung sämtlicher Sicherheitsregeln und auf eigene Gefahr!).
Die hohe Nachfrage sorgte jedoch für eine Rationierung des Angebotes. Durfte jeder registrierte Nutzer anfangs noch alle zwei Wochen 2 Sensoren bestellen, so wurde der Zeitraum bald auf drei Wochen erhöht. Inzwischen sind es wieder zwei Wochen, die aber nach wie vor nur für von Anfang an registrierte Nutzer gelten. Jeder, der sich jetzt für das Libre entscheiden möchte, geht zunächst leer aus und Abbott kommuniziert bislang eine Ausweitung der Lieferfähigkeit für das Frühjahr 2015.
Da hilft nur abwarten – oder bei eBay zuschlagen. Für deutlich über 200 Euro werden dort die Sensoren angeboten, die bei Abbott normalerweise 59,90 Euro kosten. Aber immerhin: man spart den Versand, der ist bei eBay kostenlos. Verrückte Welt – aber kann man es den Käufern verdenken, die sich so sehr nach einer Erleichterung ihres Alltags sehnen?
Zum Anbringen und der Handhabung des Sensors wurde schon viel geschrieben, das muß nicht wiederholt werden. Nur so viel: ich trage inzwischen den sechsten Sensor. Jeder einzelne ließ sich völlig schmerzfrei in die Haut schießen und klebte auch nach mehrmaligem Duschen, intensiven Saunabesuchen und sportlichen Aktivitäten wunderbar. Ich weiß allerdings, daß das nicht auf jeden zutrifft, es ist wohl eine Frage des Hauttyps. Einer meiner Kunden klagte, daß der Sensor schon nach 3 Tagen einfach abfiel, was natürlich angesichts des Preises sehr ärgerlich ist. Bei mir hält bislang jeder Sensor, nach dem Entfernen lassen sich die Rückstände mit Wasser und Seife gut entfernen.
Was taugt das Gerät?
Auch zur Meßgenauigkeit kann ich nur Positives berichten. Der Sensor braucht nach dem Anlegen üblicherweise länger als die vorgegebene eine Stunde, um sich auf die Gegebenheiten einzustellen und einen korrekten Wert anzuzeigen, aber nach spätestens 3 Stunden hat sich bei mir immer eine ausreichend große Korrelation zwischen Meßgerät (in meinem Fall einem AccuChek Mobile) und den Libre-Daten ergeben. Natürlich muß man wissen, daß das Libre den Glucosewert in der Zwischenzellflüssigkeit misst, der dem Blutzuckerwert ca. 15 Minuten hinterherhinkt. Sehr hilfreich sind aber die Trendpfeile und natürlich die Kurven, die nach einer kurzen Eingewöhung wunderbare Erkenntnisse über das Verhalten des eigenen Körpers zu jeder Tages- und Nachtzeit zulassen. Die Kommentarfunktion erlaubt das Eintragen der Mahlzeiten, der gespritzen Insulineinheiten getrennt nach Lang- und Kurzzeitinsulin sowie die Erfassung von körperlichen Aktivitäten verschiedener Art. Das genügt für eine recht genaue Auswertung mit dem Diabetologen, viele User nutzen jedoch zusätzlich noch Tagebücher wie mySugr oder SiDiary.
Das Lesegerät hat bei mir zwiespältige Gefühle ausgelöst. Es besteht aus Kunststoff und sieht recht edel aus, allerdings hat sich mein erstes Lesegerät ganz furchtbar schlecht bedienen lassen. Knopf und auch Touchscreen reagierten nur auf massiven Druck und manchmal gar nicht, sodaß ein Einsatz unter „erschwerten Bedingungen“ echt nervig sein konnte. Ich habe das Gerät dann telefonisch bei einem sehr freundlichen Servicemitarbeiter von Abbott reklamiert und umgehend ein neues erhalten, welches viel besser funktioniert. Der Knopf flutscht, das Touchscreen funktioniert – so soll das sein. Und der Akku hält echt lange – ich lade ihn nur ganz selten mal zufällig auf, wenn ich das Gerät am PC auslese.
Anfangs hatte ich zur Sicherheit immer noch mein klassisches Meßgerät dabei. Inzwischen liegt es in der Schublade und wird nur noch in den ersten drei Tagen nach Setzen eines neuen Sensors stichprobenartig benutzt. Ich habe unter anderem eine einwöchige Wandertour nur mit dem Libre absolviert – ohne jegliche Beanstandung.
Wahrlich augenöffnend sind die Momente morgens nach dem Aufwachen. Ein kurzer Scan und siehe da: es gibt hier und da nächtliche Unterzuckerungserscheinungen, die ich ohne das Libre nicht bemerkt hätte.
Mein Fazit
Ich bin inzwischen ein überzeugter Fan des Libre und möchte es nicht mehr hergeben. Das geht vielen so, die das Gerät einmal in der Hand hatten. Derzeit spare ich meiner Krankenkasse massiv Geld für nicht genutzte Lanzetten und Meßstreifen. Die Meldungen der letzten Tage stimmen mich zuversichtlich, daß die Krankenkassen langsam aber sicher den Nutzen des Libre erkennen und die Kosten übernehmen. Ich werde jedenfalls nicht aufhören, die Leistungsabteilung meiner Krankenkasse zu nerven.
Was wünsche ich mir noch vom Libre?
- Eine App, die das Auslesen des Sensors auch mit dem Smartphone ermöglicht, wäre toll, denn viele Smartphones verfügen bereits über die NFC-Technologie. Das scheitert momentan aber an Datenschutzbestimmungen – verständlich.
- Mehr Klarheit und Transparenz bezüglich der Verwendung der Daten. Es werden nachweislich Daten aus der Software an Abbott geschickt – was genau damit geschieht, weiß leider kein Mensch.
- Eine klarere Kommunikation für die vielen Menschen, die auf der Warteliste stehen. Eigentlich kann es nicht so schwer sein, eine bessere Informationpolitik aufzusetzen.
- Das lang versprochene Abo mit reduzierten Preisen für die Sensoren.
- Die offizielle Freigabe für Kinder (es funktioniert nachweislich in meinem Bekanntenkreis, muß aber natürlich noch offiziell getestet werden)
- Sensoren, die nicht bei jeder Skilift-Einlasskontrolle kaputt gehen (Tipp: Alufolie davor halten)
Fragen? Kommentare? Ich würde mich freuen, von Euch und Euren Erfahrungen zu hören, denn ich würde diesen Artikel gerne als Basis für eine Diskussion nutzen und aufkommende Fragen später verarbeiten.
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4 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort
Der Artikel beschreibt noch ein paar Aspekte vom Frestyle, die mir neu waren. Danke!
Das war mein Ziel – freut mich! Viele Grüße Christian
[…] Das führte schnell zum gewünschten Ergebnis. Und seit ich kürzlich meiner Oma das FreeStyle Libre demonstrierte, habe ich kein einziges kritisches Wort mehr zu dem Thema gehört. Dazu muss man […]
Infos zu den Hautproblemen durch den Kleber.
Lösungen gibt es bestimmt.
Habe den Pumpenkatheder, der auch super hält zum Vergleich 2 Wochen dran gelassen, ohne Hautprobleme.
Und ob das Libre überhaupt beantragt wurde zur Aufnahme in den Hilfsmittelkatalog.
Es gibt ja keine Studien und während des Lieferengpasses konnte man das ja auch nicht beantragen, da Lieferverfügbarkeit auch eine Voraussetzung ist.
Sonst bin ich sehr zufrieden mit dem Gerät und wünsche mir Konkurrenz durch andere Hersteller damit wir uns langsam von den BZ-Streifen lösen können.