

Jeder Diabetiker kennt sie, diese Abkürzungen, die für uns lebensbestimmend sind. Wieviele IE muss ich spritzen (oder pumpen), wenn ich so viele KE zu mir nehme. Und wann?
Kürzlich saß ich beim Essen und stellte mir genau diese Frage. Dabei fiel mir auf, daß es auch stark auf den Blickwinkel ankommt, wie man diese Entscheidung trifft.
Der Blickwinkel hat einen immensen Einfluss
Blickwinkel? Was ist hier eigentlich gemeint? Ein Beispiel aus meinem Alltag soll verdeutlichen, worauf ich hinaus will. Und ich bin jetzt schon gespannt auf die Reaktionen der Leser, denn ich weiß von meinen Kunden, daß ich nicht der einzige bin, dem es so geht. Hier also das Beispiel:
Ich sitze sonntags beim Mittagessen, es gibt (ordentlich große) Wiener Schnitzel mit einer (ordentlich großen) Portion Pommes. Da ich nicht selber gekocht habe, sondern bei Freunden zu Gast bin, kann ich nicht abwiegen, schätze also die Pommes. Eine meiner leichtesten Übungen, ich bin ja schließlich ein erfahrener Diabetiker.
Jetzt muß die Entscheidung über die richtige Menge an IE getroffen werden. Und genau jetzt kommt es auf den Blickwinkel an. Denn die Pommes schätze ich – je nach Tagesform, Laune und Stimmung – an verschiedenen Tagen unterschiedlich ein. Oft liege ich goldrichtig, oft haue ich aber auch so richtig daneben und freue mich dann über Werte jenseits von 250.
Was ich eigentlich sagen möchte: sofern ich die KE nicht glasklar bestimmen kann (durch Wiegen oder Nachlesen), treffe ich eine Bauchentscheidung, die zwar durch meine Erfahrung gestützt ist, jedoch durch verschiedene Faktoren sehr unterschiedlich ausfallen kann, auch bei gleichen Lebensmitteln und Portionsgrößen. Kennt Ihr das?
Welche Faktoren beeinflussen meine Entscheidung?
Daß meine Entscheidungen über Insulinmengen so unterschiedlich ausfallen, finde ich schon merkwürdig. Wie gesagt, inzwischen weiß ich, daß es auch anderen Diabetikern so geht. Aber WARUM das so ist, das konnte mir noch keiner so richtig sagen. Ich möchte fast von mir sagen, daß ich mir regelmäßig in die Tasche lüge. Wenn ich zum Beispiel ein Stück Torte esse und genau weiß, daß das eigentlich 5 KE sind, müßte ich entsprechend 10 IE spritzen. 10 IE! Das klingt verdammt viel. Also mache ich aus den 5 KE einfach 4 (vielleicht sind es auch nur 3) und schon klingt das alles nicht mehr so dramatisch.
Natürlich weiß ich, daß ich selber der einzige bin, den ich belüge. Denn ob ich nun ein kleines oder ein großes oder auch zwei Stücke Torte esse, das ist ja nun wahrlich mein Problem. Und wäre ich kein Diabetiker, würde meine Bauchspeicheldrüse exakt die richtige Menge Insulin dafür freigeben. So muss ich eben selbst dafür sorgen, das ausreichend Insulin vorhanden ist. Warum mache ich es mir also so schwer und verschlechtere damit noch den Blutzucker-Wert, um mich zwei Stunden später darüber zu ärgern und nachzukorrigieren?
Macht´s die Laune?
Eines habe ich bereits herausgefunden: in Phasen, in denen ich in einer guten Grundstimmung und positiv gestimmt bin, fällt es mir wesentlich leichter, ehrlich zu mir selbst zu sein und die richtige Menge Insulin zu spritzen. Dann „kostet“ eine Dose Ravioli halt eben 20 Einheiten, na und? Auf Parties neigte ich anfangs sogar dazu, eher ein wenig zu viel zu spritzen, vergesse dann den Alkohol und die eventuelle Bewegung auf der Tanzfläche. Umgekehrt ist es, wenn ich im Stress bin oder mich irgendetwas bedrückt. Dann möchte ich mir nicht eingestehen, daß ich jetzt gerade ganz schön viel esse und rechne einfach alles ein bisschen runter.
Deshalb ist mein guter Vorsatz für 2015 auch, ehrlicher zu spritzen und Lebensmittel realistisch einzuschätzen. Alles andere verursacht nur Ärger und Verdruss. Das kann ja keiner wollen. Und da macht auch der Blickwinkel keinen Unterschied.