

Das erste Diabetes Barcamp ist Geschichte – und war zweifellos ein großer Erfolg. Menschen, die sich auf verschiedenste Art und Weise dem Diabetes „verbunden“ fühlen, konnten sich in Gruppen über allerlei Themen austauschen und dabei neue Ideen entwickeln – und vielleicht auch neue Sichtweisen. Dabei standen auch ernste Themen auf der Agenda, über die nicht so gerne gesprochen wird – zum Beispiel gab es zwei Sessions zu Depressionen und Ängsten in Verbindung mit Diabetes.
Was genau ein Barcamp ist, was auf der Agenda stand und wie es gelaufen ist, dazu gibt es sicherlich bald mehr Informationen auf den Seiten der Blood Sugar Lounge und in vielen anderen Blogs. Unter dem Hashtag #diabetesbarcamp findet man allerlei Bilder, Informationen und sicherlich bald auch Recaps und Rückblicke im Netz. Der Kirchheim-Verlag hat eine sehr hochwertige Veranstaltung auf die Beine gestellt – umrahmt von den namhaftesten Diabetes-Bloggern Deutschlands und zum Leben erweckt von tollen Menschen, die eine grandiose, sehr beeindruckende Stimmung aufbauten und an diesem Tag die Kommunikation rund um das Thema Diabetes auf eine neue Stufe hoben.
Beeindruckend war die Themenvielfalt, die zur Auswahl stand. Apps, Closed Loop-Systeme, Diabetes-Songs, Medien und Diabetes und vieles mehr wurde diskutiert. Auch ging es um Mobbing, Ausgrenzung und grenzwertige Diskussionen im Internet. Ich selber hatte mir überlegt, eine Session zum Thema „Diabetes und Ängste“ anzubieten, denn damit komme ich in der DiaCoach-Arbeit oft in Berührung. Gleichwohl war ich skeptisch, ob dieses Thema auf großes Interesse stoßen würde, denn schon online sind die Reaktionen eher verhalten, wenn es um solcherlei Dinge geht. Die Erfahrung zeigt: wer über das Libre, Fiasp oder Kochrezepte schreibt, dem sind viele Likes und Comments sicher. Wenn es aber um persönlichere Themen oder gar „Tabus“ geht, dann kann es schon mal so wirken, als gäbe es kein Interesse an diesen Themen.
Faszinierende Stimmung und bewundernswerte Offenheit beim Barcamp
Spätestens seit dem Barcamp weiß ich: das liegt nicht daran, daß kein Interesse besteht. Es liegt einfach daran, daß man auch (oder gerade) im Internet (sei es bei Facebook oder in der Blood Sugar Lounge) „in der Öffentlichkeit“ steht. Natürlich möchte man sich da nicht ungeschützt und ohne Visier als depressiv oder besonders ängstlich outen.
Umso erstaunter und beeindruckter war ich von der wirklich offenen und unvoreingenommenen Atmosphäre, die in den Sessions des Barcamps herrschte. Auch dort befindet man sich in einer Gruppe von Menschen, die man kaum kennt. Auch dort hat es sicherlich viele Teilnehmer viel Überwindung gekostet, über ihr Problem zu sprechen. Und doch: es hat wunderbar funktioniert. Natürlich war die Zeit begrenzt und natürlich konnten Themen in diesem Rahmen nicht gelöst werden, aber ich hatte oft den Eindruck, dass es geradezu erleichternd war, endlich mal mit Gleichgesinnten sprechen zu können und sich einiges von der Seele zu reden. Und wenn ich nur eine Erkenntnis vom Barcamp mitgenommen habe, dann die, daß Ängste und Depressionen ein großes Thema sind, über das es wert ist zu reden. Und – auch das sehe ich in meiner täglichen Arbeit – die Menschen müssen natürlich von sich aus kommen und sich Hilfe holen, denn nichts lässt sich erzwingen. Aber es ist wichtig, dieses Angebot zu machen und die Möglichkeit zu bieten, sich aktiv, aber mit professioneller Begleitung mit seinen Problemen auseinanderzusetzen.
Es gehört viel Mut dazu, sich zu seiner Angst zu bekennen und damit an die Öffentlichkeit zu gehen. Es gehört auch viel Einsicht dazu, sich helfen zu lassen. Ist der Leidensdruck noch nicht hoch genug, dann schiebt man seine Depression auf die lange Bank und versucht, irgendwie auf eigene Faust damit klar zu kommen. Denn „man ist ja nicht krank“. Und dennoch entgerät man schnell in diese Abwärtsspirale, aus der es immer schwieriger wird herauszukommen. Daher lautet mein Appell an alle, die meinen, Hilfe zu brauchen: wartet nicht zu lange. Es gibt diese Hilfe und je früher man sie in Anspruch nimmt, desto wahrscheinlicher ist es, daß sie auch funktioniert.
Auch in meiner Arbeit als Coach und DiaCoach ist es zunächst das wichtigste, für einen diskreten, geschützten Rahmen zu sorgen. Erst dann kann eine sinnvolle Arbeit überhaupt beginnen, denn dafür muss man „ans Eingemachte“ gehen. Das funktioniert aber nur, wenn der Klient sich sicher fühlt und Vertrauen aufgebaut hat.
Ängste und Depressionen sind grundsätzlich hinderlich
Das sind so die ersten Gedanken, die mir nach dem Barcamp gekommen sind und die ich jetzt einfach mal niedergeschrieben habe. Ich bin sehr froh, bei diesem Event mitgewirkt haben zu dürfen und mache mich jetzt daran, aus dem Gelernten Ideen zu entwickeln, wie Betroffenen vielleicht noch besser geholfen werden kann. Denn Ängste und Depressionen sind grundsätzlich hinderlich und es wäre doch schade, wenn man deswegen sein Leben nur eingeschränkt leben kann.
Ich werde das Thema in Zukunft weiter vertiefen und bin gespannt, was daraus entsteht. Und ich möchte mich herzlich bei allen Teilnehmern für ihren Mut und ihre Offenheit bedanken – und auch bei denen, die einfach nur dabei waren und sich nun ihre Gedanken machen.