

Die Diskussion um den Direktvertrieb des Freestyle Libre von Abbott unter Umgehung der Apotheken zieht weite Kreise. Es wird Zeit, daß Diabetiker und Apotheker in eine sachliche Diskussion einsteigen, damit die Bedürfnisse beider Seiten gehört und besprochen werden.
Alles begann mit einem Bericht im Online-Magazin Apotheke Adhoc zum Thema Freestyle Libre und einer damit verbundenen Umfrage unter den Lesern, deren Antwortmöglichkeiten auf – nun ja – recht interessante Art und Weise vorgegeben waren. In dem Artikel beklagt sich der Apothekerverband Duisburg/Niederrhein darüber, daß Abbott dieses neuartige Messgerät nur direkt und nicht über die Apotheken vertreibt. Der Unmut der Apotheker ist verständlich und legitim, mir fielen nur die Art und Weise der Berichterstattung sowie die Kommentare der Leser negativ auf. Ich verfasste also diesen offenen Brief, mit dem ich das Thema aus Sicht der Betroffenen darstellte und um Stellungnahme zu der aus meiner Sicht doch sehr amateurhaften Berichterstattung bat. Diesen Brief veröffentliche ich ebenfalls auf meiner Webseite sowie in diversen Foren und Gruppen für Diabetiker.
Am nächsten Tag erhielt ich den Anruf einer Redakteurin von Apotheke Adhoc, die mir einige Fragen zu meiner Einstellung zu Apotheken stellte. Daraus entstand ein Artikel, der dann bei Apotheke Adhoc veröffentlicht wurde und völlig zu Recht für großen Unmut bei der Leserschaft sorgte. Dieser Artikel suggerierte nämlich, daß Apotheken für mich völlig unnötig und überflüssig sind und daß Diabetiker wunderbar auch ohne deren Dienstleistungen auskämen. Mit einer sachlichen Diskussion war es damit vorbei und die doch sehr persönlichen Anfeindungen in den Leserkommentaren erklärten einiges. Es ging dort um meinen Seelenzustand und den von Unternehmensberatern im Allgemeinen. Außerdem wurde mehrfach der Verdacht geäußert, die Kommentare seien von Abbott bezahlt.
Natürlich hat Abbott mit seiner Entscheidung, das Libre direkt zu vertreiben, nicht gerade Freudenstürme bei den Apothekern ausgelöst, die gerne mitverdient hätten. Und natürlich stach mein offener Brief genau in diese Wunde, denn es war mir wichtig, die Diskussion auch aus der Sicht der Betroffenen zu führen und die finanziellen Gesichtspunkte in den Hintergrund zu stellen. Die Reaktionen der Apotheker zeigen, wie emotional das Thema inzwischen ist, zumal ja auch viele Pumpenhersteller die Apotheken als Vertriebskanal bewusst umgehen.
Neben den vielen anonymen und sehr emotionalen Kommentaren, die als Reaktion auf den Artikel verfasst wurden, erhielt ich aber auch ein persönliches Feedback von einem Apotheker, der seine Meinung zu dem Artikel zwar kritisch, aber sachlich und verständlich kundtat. Mit diesem Apotheker, Dr. Gerd Franke von der Linden-Apotheke in Olpe, entstand daraufhin eine sehr interessante und sachliche Diskussion per Mail. Ich konnte ihm meine tatsächlichen Beweggründe deutlich machen und versichern, daß es mir keineswegs darum geht, die Apotheker in ihrer Kompetenz zu schmälern.
Hier einige der Aussagen von Herrn Dr. Franke:
- Ein Wort zu Ihrer eigenen Insulin-Versorgung (Anmerkung des Autors: es geht hier um die Aussage in meinem offenen Brief, daß ich in der Apotheke bei jedem zweiten Besuch das falsche Insulin ausgehändigt bekomme und selber darauf achten muss): Das kann tatsächlich nicht sein, dass das so häufig (fast) schief läuft. Jeder Apothekenmitarbeiter , der in der Abgabe von Arzneimitteln tätig ist MUSS das anhand der Verordnung eindeutig identifizieren können, ob Sie Ampullen oder einen Fertigpen bekommen sollen. Ein möglicher Grund hierfür könnte (!!) darin liegen, dass wiederholt ein falscher Artikel auf dem Rezept steht. Das kann schon mal passieren, wenn in der Arztpraxis erstmal der falsche Artikel in Ihrem Patientenstamm steht, dann wird mitunter immer wieder der falsche Artikel auf das Rezept kopiert. Das müsste sich aber im Gespräch mit Ihrer Apotheke klären lassen. Für solche Fälle, die es auch bei uns gibt, haben wir Vorkehrungen, dass trotz wiederholt unrichtiger Verordnung der Patient das richtige erhält selbst bei einem Mitarbeiter, der den Vorgang zum ersten Mal bearbeitet. Hier ist die moderne EDV dann mal nützlich.
- Unterm Strich finde ich es nach wie vor schade, dass bei der notwendigerweise vorhandenen Vielfalt unseres Berufsstandes fast immer vorrangig auf die Beispiele weniger guter Leistungen geschaut wird und wir dann alle gemeinsam „verurteilt“ werden und uns die Versorgung von Chronikern nach und nachentzogen wird.
- Ich bin fest davon überzeugt, dass es keine bessere, schnellere und auch günstigere (!!) Versorgung eines chronischen Patienten geben kann, als durch eine –leistungsstarke- Apotheke!
- Unsere schon vorhandenen Strukturen sind bei richtigem Einsatz so leistungsfähig und nutzbringend für den Patienten, dass wir es mit jedem Versender aufnehmen können. Wo finden Sie heute über die Dauer langer Öffnungszeiten in gut erreichbaren Lagen oder am Telefon zum Ortstarif hervorragend geschulte Mitarbeiter, die IHR persönliches Problem schnellstmöglich und umfassend bearbeiten, Sie ggf. zeitnah zurückrufen und Ihnen gerne das Gewünschte ohne Portokosten meist am selben Tag nach Hause liefern. Das Ganze zu Strukturkosten, die auf der Stufe der Apotheke in Europa gerade mal im Mittelfeld liegen und seit vielen Jahren nur unterdurchschnittlich steigen. Lag der Kostenanteil der GKV-Ausgaben für die Wertschöpfung in Apotheken in 2004 noch bei 2,6%, betrug der selbe Wert in 2014 nach vorläufigen Zahlen noch 2,3%. Zeitgleich sind Leistungsfähigkeit sowie bürokratische Anforderungen ganz erheblich gewachsen.
- Vermeintliche Einsparungen bei Versendern sind als punktuelle Rosinen zu betrachten, die die Grundversorgung mit Arzneimittel schwächen und langfristig teurer machen. Die Deutsche Apotheke basiert auf einer großen Mischkalkulation. Werden dauerhaft ertragsbringende Aspekte herausgenommen, wird der Betrieb einer Apotheke immer unwirtschaftlicher und Chroniker in wenigen Jahren nicht mehr die Wahl zwischen Versender und Apotheke vor Ort haben, weil letztere zum großen Teil verschwunden ist. Schon heute nimmt die Zahl der Deutschen Apotheken etwa um 350 pro Jahr ab (Jeden Tag eine Apotheke weniger).
- Ich denke, dass es im Sinne der Patienten wirklich nützlicher ist nach leistungsstarken Versorgungsmöglichkeiten MIT einer leistungsstarken (!!) Apotheke vor Ort zu suchen an Stelle, diese wertvolle und kostengünstige Einrichtung aufs Abstellgleis zu schieben, weil Versand im Moment hipp ist.
Hier wird deutlich, in welche Richtung die Diskussion eigentlich hätte gehen sollen, wäre sie nicht von Apotheke Adhoc im Keim erstickt worden. Deren Berichterstattung sorgte für eine verfälschte Darstellung meiner Argumente und für eine verständliche Abwehrhaltung der Leser. Dabei wäre doch allen Beteiligten viel mehr geholfen, wenn endlich ein Dialog zustande käme, der nicht nur wirtschaftliche Aspekte, sondern auch die Sichtweise der Betroffenen berücksichtigt, denn um die sollte es ja letztlich gehen.
Für mich waren die Aussagen von Dr. Franke augenöffnend und ganz klar ein Hinweis darauf, daß es höchste Zeit für einen solchen Dialog ist. In der Apothekenlandschaft gibt es schwarze Schafe wie überall. Andererseits gibt es Apotheken, die sich schwerpunktmäßig mit Diabetes auseinandersetzen und in der Tat über das nötige Fachwissen verfügen, um Pumpen und kontinuierliche Messgeräte vertreiben zu können.
Ein Apothekerverband, der mit der Frage nach einer Notfallversorgung argumentiert, hat das eigentliche Problem nicht verstanden. Ebenso wenig zielführend ist die fragwürdig recherchierte Berichterstattung durch ein Online-Magazin. Vielmehr geht es darum, Diabetikern eine optimale Versorgung auch mit modernsten Hilfsmitteln zu gewährleisten, ohne daß Apotheken als Vertriebskanäle mit großem Hintergrundwissen und einer erwiesenermaßen hohen Fachkompetenz in Gefahr geraten, diese aus finanziellen Gründen nicht mehr bieten zu können.
Dazu kommt in der Tat das Problem, daß Spezialversender den Ruf der Kunden nach günstigen Preisen, schnellem Service und hoher Fachkompetenz vernommen haben und sich danach ausrichten. Aus Sicht eines Diabetikers, zumal wenn er eine Pumpe nutzt, kann die klassische Apotheke da nur noch schwer mithalten.
Wäre es da nicht für beide Seiten sinnvoll, in den Dialog einzusteigen und zu schauen, welche Bedürfnisse Diabetiker haben und wie diese seitens der Apotheken befriedigt werden können? Nur so kann das eigentliche Problem doch angepackt und beseitigt werden.
Von Apotheke Adhoc habe ich übrigens bis heute keine Stellungnahme zu deren Berichterstattung als Antwort auf meinen offenen Brief erhalten.